INSTALLATION

Vernissage Frankfurt
1994, Säulenpodeste, Apfelweingläser, Brezelbilder · 250 x 500 x 800 (H x B x T)

1. Historischer Bezug
Das U4-Atelier befindet sich in den ehemaligen Räumen einer Apfelweinwirtschaft. Bis zum Jahr 1958 hatte hier der damals weithin bekannte »Apfelwein-Glaser« sein Domizil. Im heutigen Ausstellungskeller unter dem Atelier wurde der Apfelwein gekeltert und abgefüllt. Bis 1980 wurde der Keller von der Bornheimer Apfelweinwirtschaft »Solzer« als Fasslager genutzt, um dann später als Ausstellungsort zu dienen.

2. Frankfurt-Bezug
Apfelwein und Brezel sind für Frankfurt typisch. Frankfurt ist die Apfelweinstadt schlechthin. Wenn Frankfurt sein 1200-jähriges Jubiläum feiert, dann gehört die Apfelwein-Brezel-Romantik dazu.

3. Aktueller künstlerischer Bezug
Noch nie befand sich die Kunst in einer solch desolaten Situation wie heute. Nachdem sie ihre alten Tabus gebrochen, ihre Begriffe erweitert und alles Neuland entdeckt hat, steht sie nun ratlos vor ihrem eigenen Fortschrittswerk und hat keine Utopien mehr. Im Zeitalter der Postmoderne muss die Kunst ohne Maßstäbe auskommen und zeigt deutliche Auflösungstendenzen. Ihre Autonomie ist bedroht, da sie wesentliche, von ihr einst bekämpfte Merkmale der Gesellschaft nun selbst zeigt. Damit eine Weiterentwicklung der Kunst möglich wird, muss zwangsläufig Etabliertes zerstört werden. Nicht Anpassung an den jeweiligen Zustand ist gefragt, sondern Subversion.

Ausstellungen sind zu einer Form von Freizeitunterhaltung geworden. Die Kunstwerke sind nur der äußere Anlass zur Zusammenkunft von ästhetisch interessierten Menschen. In Wirklichkeit trifft man sich zur Ausstellungseröffnung, um mit Gleichgesinnten Small Talk zu führen. In Frankfurt trinkt man dazu gerne Apfelwein und isst Brezeln.

Die Ausstellung VERNISSAGE FRANKFURT verhält sich demgegenüber subversiv. Sie stellt das etablierte Vernissagen-Ritual auf den Kopf. Über die Installationen und die Performance verleihen die Künstler Klaus Bittner und Peter Schäck dem Apfelwein und den Brezeln eine ästhetische Aura. Das, was bisher zum Verzehr angeboten wurde und eigentlich mehr der Ablenkung von der Kunst diente, ist nun selbst unantastbare Kunst, während die nicht essbaren Werkzeuge und Utensilien zur Herstellung von Kunstwerken als Buffet zum Verzehr bereit liegen. Am Ende der Performance folgt die Kritik der paradoxen Situation. Das Publikum wird aufgefordert, das Kunstwerk zu verzehren. Der Apfelwein wird ausgetrunken, die Brezeln gegessen. Die Aura des Kunstwerks wird endgültig zerstört. So wird symbolisch die Beliebigkeit heutiger Kunstwerke sichtbar, indem ihr Autonomieanspruch durch Auflösung im Alltag verschwindet. Wenn jedoch das Werk dazu dient, eine ästhetische Kommunikation in Gang zu setzen, hat es seine aktuelle Aufgabe erfüllt. Die Kommunikation um die Kunst ist dann das eigentliche Werk.

4. U4 frAnkuRT-Bezug
VERNISSAGE FRANKFURT ist ein Projekt der ›Variablen Reaktion‹ von U4 frAnkfuRT. Dieses Konzept verfolgt eine Strategie zur Vermeidung identifizierbarer Kontinuität (Mobilitätsprinzip). Es ist gegen ästhetische Erstarrung, das Verharren auf einer Position und den Identitätszwang des Kunstmarktes gerichtet. Nicht die Markenzeichenkunst mit Wiedererkennungswert, nicht der lebenslang gereifte Personalstil ist das Ziel, sondern kreative Vielseitigkeit, die die Veränderung des Ausdrucks zum Prinzip erhebt. Die ›Variable Reaktion‹ versteht die künstlerische Arbeit als einen experimentellen Weg, der der Perfektion entgegensteht. Um künstlerischen Fortschritt zu ermöglichen, muss das Konzept u.a. auch subversive Elemente enthalten. (KB 1994)

Weitere Ansichten
Vernissage Frankfurt
Installation und Performance zur 1200-Jahrfeier der Stadt Frankfurt am Main von Klaus Bittner und Peter Schäck · Mai 1994
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